Manchmal hat man den Eindruck, dass sich gerade in den Höhenorten rund um das Taubertal besonders unglaubliche Dinge ereignen. Vielleicht, weil die Höhenlage einen besonderen Menschenschlag hervorbringt. In der folgenden, wie immer wahren Geschichte werden die Höhefelder aber vor allem über das erschrocken sein, was da in ihrem Ort passierte.
Am frühen Morgen des 18. Juni umstellen Soldaten Höhefeld. Sie kommen aus Würzburg, mit Prügeln bewaffnete Bauern aus Neubrunn sind auch mit dabei. Ein Teil der Soldaten marschiert ins Dorf. Dragoner dringen ins Haus des Höhefelder Schultheißen Fiederling ein. Die Sturmglocke kann nicht geläutet werden, weil die Würzburger auch den Kirchhof besetzt halten. Anna Eva, die Frau des Schultheißen, ruft: „O Jesus! Leut bei! Leut bei! Helft! Helft!“ und „Lasset meinen Mann sich nur anziehen! Er wird kommen! Er will aufmachen!“ Die Soldaten sollen schließlich die Stubentür mit ihren Flinten eingestoßen, den Schulzen an den Haaren ergriffen und ihn auf die Straße gezogen haben. Neben dem Schultheißen wollen sie den Förster festnehmen, auch er eine Amtsperson. Der Förster aber ist gewarnt worden. An seiner Stelle wird kurzerhand sein 73jähriger Schwiegervater mitgenommen. Der Wirt Peter Hörner wird festgenommen, als er an seinem Hoftor nachsehen will, was los ist. Der Schmied Andreas Hellmich versucht zu fliehen, springt in den Garten, einer ruft „schießt den Hund tot“, Hellmich wird von einem Neubrunner Bauern erwischt und abgeführt. Schließlich sind fünf Höhefelder gefangen. Sie werden aus dem Dorf geführt, der Schultheiß blutend und alle ohne Hosen. Die Soldaten haben den Gefangenen die Knöpfe an den Hosen abgeschnitten. Mit den Hosen in den Händen marschieren sie nach Neubrunn, wo sie ins Rathaus gesperrt werden. Die Tochter des Schultheißen soll gesagt haben: „Herr Jesus! Soll man mit einem Menschen so umgehen, ihr Leut! Kommt doch herbei und helft.“ Der verletzte Schultheiß wird in Neubrunn verbunden. Die Frauen Fiederling, Deckert und Hörner dürfen ihre Männer besuchen und ihnen Brot und Kleider bringen. Am nächsten Tag führt ein Kommando die Männer ins Gefängnis nach Würzburg.
Ungeheuerliche Vorgänge damals in Höhefeld! In den Akten läuft die Sache unter „Würzburgische Invasion in Höhefeld“. Wie war es dazu gekommen? Dazu müssen wir ein wenig ausholen. Derartige gewaltsame Zuspitzungen haben ja meist eine lange Vorgeschichte. So auch hier: Höhefeld war ein Dorf der Grafschaft Wertheim, während der Nachbarort Neubrunn bereits zu Würzburg gehörte. Traditionell lag die Gemeinde Höhefeld im Streit mit dem Kloster Bronnbach wegen Markungs- und Triebrechten, d.h. die Höhefelder ließen ihr Vieh an Stellen weiden, die das Kloster für sich beanspruchte. Es könnte auch genau andersherum gewesen sein. Schwierig wurde die Sache nach dem Aussterben der alten Wertheimer Grafen 1556. Die Grafen waren nämlich Schutzherren des Klosters gewesen, bestätigt und verbrieft durch kaiserliche Urkunden. Nun aber beanspruchten die Bischöfe von Würzburg diese Rolle. Ja, die Bischöfe bezeichneten Bronnbach sogar manchmal als Teil des Würzburger Territoriums, was ihrem eigenen Vertrag mit Kurmainz aus dem Jahr 1656 eindeutig widersprach. Denn in diesem war das kleine Kloster an der Tauber als „terra nullius“ bezeichnet, als nirgendwo zugehörig also, was sich damals gegen Wertheimer Ansprüche gerichtet hatte. Wenn das Kloster aber nun zu Würzburg gehörte, dann waren Würzburger Rechte verletzt, wenn Rechte des Klosters verletzt wurden. So sahen das jedenfalls die Würzburger, die nun eine ganze Reihe von Übergriffen der Höhefelder auf Bronnbach hatten feststellen müssen. 1744 war es zu einem „Einfall“ am Wagenbücher Hof gekommen (der zum Kloster gehörte), 1745 hatte der Höhefelder Schultheiß den Klosterpater Quido geschlagen. 1747 überstürzten sich dann die Ereignisse: Zuerst veranstalteten etliche Hundert Höhefelder (also die gesamte Ortschaft) einen Tumult mit Geschrei und Schießen an der Klostermauer, während in der Klosterkirche der Gottesdienst lief, dann hatten am 14. Juni Höhefelder Bauern einen Würzburger Landvermesser festgesetzt und nach Wertheim gebracht und am 17. Juni schließlich erschoss Wendel Ries aus Höhefeld einen Hund des Wagenbücher Hofbauern. Der tote Hund brachte das Fass zum Überlaufen. Am nächsten Tag marschierten die Würzburger Soldaten nach Höhefeld.
Man kann darüber lächeln, dass ein toter Hund zu einer solchen Staatsaktion in Höhefeld führte. Die Höhefelder selbst und vor allem ihr verletzter Schultheiß werden die Sache aber gar nicht komisch gefunden haben. Es ging hier hart auf hart, und der Würzburger Bischofsstaat scheute vor Gewalt nicht zurück, wenn er seine Interessen verletzt sah.
Die Höhefelder wurden in Würzburg verhört und nach wenigen Tagen aus der Haft entlassen. Am längsten blieb Schultheiß Fiederling im Gefängnis. Seine Frau konnte ihn dort am 2. Juli sprechen. Sie fand ihren Mann in schlechtem Zustand vor, bleich und über Schmerzen klagend. Die Würzburger hatten in Höhefeld klar gemacht, wer um Bronnbach herum das Sagen hatte, und der Schultheiß hatte den Schaden.
Druck: Fränkische Nachrichten 13.10.2010