Im 18. Jahrhundert galten die Metzger als das allerbeste Handwerk in der Welt. So stand es jedenfalls im damals maßgeblichen Lexikon. Weiter hieß es dort, die Kürschner würden zwar dasselbe von ihrem Beruf behaupten, weil Gott seinerzeit Adam und Eva Kleidung aus Fell gegeben habe. Aber, so das Lexikon weiter, die Lämmer hätten zunächst geschlachtet werden müssen, bevor man ihnen das Fell abziehen konnte. Also hatten die Metzger altersmäßig den Vorrang. Außerdem seien sie auch höchst nützlich, weil niemand ohne Fleischverzehr überleben könne.

So ändern sich die Zeiten. Ganz anders als im damaligen Lexikonwissen wird heutzutage der Fleischkonsum von vielen kritisch gesehen und die Metzger haben es schwer. Es sind auch viel weniger geworden. 1685 gab es 18 Metzgermeister in der Stadt, 1753 hatte die Zunft 20 Mitglieder. Noch größer wird die Zahl, zählt man die Familienmitglieder mit: Ein Zunftverzeichnis mit Frauen und Kindern aus dem Jahr 1693 kommt auf 74 Personen.

Es hat in Wertheim immer wohlhabende Metzger gegeben, und auch die Eintrittshürden in der Zunft waren hoch. Gefragt waren nicht nur eheliche Geburt und guter Leumund (das verlangten alle Zünfte), sondern man musste zur Aufnahme im Jahr 1563 vier Gulden an die Zunft und einen an den Stadtrat zahlen. Das war mehr als das Doppelte von dem, was etwa die Wertheimer Hutmacher und die Schlosser verlangten, die sich mit zwei Gulden zufrieden gaben. Wer beim besten Handwerk der Welt mitmachen wollte, musste eben auch etwas zahlen.

Schlachttage waren die Wochenmarkttage: Mittwoch und Samstag. Die Metzger mussten dann ihre Ware auf den Fleischbänken am Marktplatz präsentieren. Dort untersuchten die Fleischschätzer das Fleisch und berechneten Steuer und Preis. Der Preis war nämlich sozusagen staatlich festgelegt. Wer teurer verkaufte, musste Strafe zahlen. Das sorgte natürlich immer wieder für Verdruss und leere Fleischbänke. Die Wertheimer Regierung drohte in solchen Fällen gerne damit, den Metzgern aus den Dörfern und den Juden den Fleischverkauf in Wertheim zu gestatten. Davon hielten wiederum die Wertheimer Metzger wenig. Auswärtige galten ihnen als „Stümper und Störer“, die durch minderwertige Qualität die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel setzten. Außerdem „metzelten“ die Zunftmetzger das ganze Jahr über und sorgten so für die Versorgung der Bevölkerung.

Gute Gründe für die Wertheimer also, nur bei Wertheimer Metzgern zu kaufen, meinten die Wertheimer Metzger. Dabei durften die Ochsen ruhig von außerhalb kommen. Eine Fleischkaufordnung von 1596 setzte Preise für Ochsen aus Polen, Preußen und Ungarn fest, Wertheimer Metzger kauften auch auf dem Ochsenmarkt in Bamberg und in Nürnberg ein. Geschlachtet wurde dann zu Hause und das „Aushauen“ der einzelnen Stücke besorgte man direkt auf dem Markt. Es muss eine recht blutige Angelegenheit gewesen sein. Für schlecht befundenes Fleisch sollte samt Blut- und Leberwürsten am Wächterhaus (Ecke Marktplatz/Brückengasse) ausgehängt werden und verbilligt verkauft werden – sicher kein Anblick für einen Vegetarier.

Manch andere Regelung zeigt, dass das Vertrauen der Obrigkeit in die Metzger seine Grenzen hatte. So gab es eine besondere Bratwurstvorschrift: nur Schweinefleisch und Blut durften hinein. Geregelt war auch, wie viel geschlachtet werden durfte, und streng verboten war der Hausverkauf außerhalb der Öffnungszeiten der Fleischbänke. Diese Regel hatte es besonders schwer, weil einzelne Metzger sie immer wieder missachteten. Zum Beispiel Philipp Schubert, der im Jahr 1714 aus seinem Haus vor dem Brückentor Fleisch verkaufte. Dort konnte man dann erwerben, was er zu den offiziellen Öffnungszeiten des Marktes auf seiner Fleischbank nicht losgeworden war. Außerdem verkaufte er an Freitagen, Sonn- und Feiertagen – die Meister der Metzgerzunft zeigten ihn an und verlangten Bestrafung.

Diese Strafen waren dann teils an die Zunft, teils an die Regierung zu zahlen. Sie wurden in ein besonderes Strafbuch geschrieben, das in der Zunftlade im Haus des jüngeren Meisters aufbewahrt wurde (über ein eigenes Zunftlokal, wie es die Fischer hatten, verfügten die Metzger wohl nicht). In den 1750er Jahren soll dabei einmal etwas Ungeheuerliches passiert sein: Zunftmeister Nikolaus Hotz verbrannte das Strafbuch im Beisein zahlreicher Zunftgenossen. So war es jedenfalls der Regierung zu Ohren gekommen. Die daraufhin durchgeführten Verhöre brachten allerdings kein wirkliches Resultat. Kein Metzger hatte etwas mitbekommen, keiner konnte sich Derartiges vorstellen. Hotz gleich gar nicht. „Das würde nicht geschehen sein, so lange Wertheim stünde“, gab er zu Protokoll. Außerdem sei, so Hotz, in seiner Zeit als Zunftmeister auch gar keine Strafe angefallen. Die Metzger waren eben das allerbeste Handwerk der Welt.

Druck: Fränkische Nachrichten 21.6.2013