Nachdem hier zuletzt von den Metzgern die Rede war, soll es diesmal um die Wertheimer Fischer und Schifferzunft gehen. „Zunft“ bezeichnete zunächst einfach eine Gemeinschaft, die nach einer Ordnung lebte. Die Fischer gehörten in Wertheim immer zu den größten Zünften, und alt waren sie auch. Im Grafschaftsmuseum findet sich der Grundstein ihres Zunfthauses aus dem Jahr 1478. Wenige Jahre später gründete die Zunft eine religiöse Bruderschaft, die sich um das Andenken ihrer verstorbenen Mitglieder kümmerte. Aus dem Jahr 1500 hat sich dann auch ein Zunftbrief erhalten, der ihr Gewerbe regelte.
Ein ganz besonderer Fischer war der „Herrenfischer“. Er belieferte die Hofhaltungen der Grafen in Wertheim mit Fisch und bezog dafür ein Gehalt. Hoch war es nicht. Georg Kopp, der etwa von 1610 bis 1635 jahrzehntelang „Herrenfischer“ war, besaß nur ein halbes Haus an der Tauber sowie ein paar Weingärten. Da hatten viele Wertheimer Bürger, deren Existenz nicht auf Wasser gegründet war, wesentlich mehr vorzuweisen.
Zu den Aufgaben Kopps gehörte es auch, die „Herrschaften spazieren zu fahren auf dem Wasser“, wenn ihnen der Sinn danach stand. Damit sind wir beim zweiten Teil dessen, was die Wertheimer Fischer und Schiffer taten: Transporte auf dem Wasser. Der Herrenfischer machte mit den Grafen sozusagen Ausflugsfahrten, die Zunftmitglieder mussten Transporte im Frondienst für sie ausführen, was bei den Schiffern eine ständige Quelle des Ärgers war.
Aber auch regulär bezahlte Schiffstransporte konnten zu Streitigkeiten führen. Im Juni 1754 gerieten zwei Wertheimer Schiffer einmal derartig aneinander, dass die Obrigkeit fürchtete, Reisende würden in Zukunft Wertheim lieber umgehen. Grund war der kaiserliche Gesandte Baron von Reischach, dessen Kutsche Aufsehen erregte, als sie die Eichelgasse hinunter rumpelte. Der Sohn des Schiffers Philipp Stemmler meldete das Ereignis seinem Vater mit den Worten: „Vater, es kommt eine große Reise.“ Und tatsächlich: Reischachs Ziel war Koblenz, wo er innerhalb von zwei Tagen ankommen wollte. Der Baron hielt zunächst einmal in der Wirtschaft „Krone“ in der Brückengasse an. Die Wertheimer Schiffer begannen, ihm ihre Aufwartung zu machen.
Dabei stellte sich nun allerdings heraus, dass die „große Reise“ schon vergeben war. Per Post aus Remlingen hatte der Baron das Boot des Wertheimer Schiffers Philipp Jacob Müller gebucht. Dieser Müller war nicht nur Wertheimer Bürger und Mitglied der Fischer und Schifferzunft, sondern er führte zusätzlich den Titel eines „kurfürstlich kölnischen Hofschiffers“. Irgendwie leuchtet es ein, dass der kaiserliche Gesandte gerade mit diesem Schiffer reisen wollte. Die anderen Wertheimer Schiffer sahen das allerdings nicht so und unterboten ihn beim Preis. Müller musste zwar mit seinem Preis etwas herunter gehen, konnte aber schließlich an seinem Boot die kaiserlichen Flaggen anstecken. Das hieß: Triumph! Er würde den Gesandten des Kaisers nach Koblenz bringen. Dann begann er, die Kutsche des Gesandten auf sein Boot zu fahren, wobei es richtig Ärger gab. Denn auf dem Nachbarschelch stand der Schiffer und Zunftkollege Philipp Stemmler, der Müller beschimpfte und ihn mit Ohrfeigen traktierte. Stemmler griff sich einen Fahrbaum, Müller nahm ein Ruder. Müllers Knechte gelang es, dem Stemmler den Fahrbaum zu entreißen. Andere Wertheimer Schiffer warfen mit Steinen. Stemmlers Bruder schlug gar vor, das Schiff umzuwerfen. Philipp Stemmler trat mit großem Geklirre ein Fenster des Boots von Müller ein. „Werft ihn ins Wasser!“, soll gerufen worden sein. Lärm und Tumult auf der Tauber also, von zahlreichen Wertheimern von der Tauberbrücke aus gespannt verfolgt.
Erst das Auftauchen des Ratsdieners beendete den Aufruhr. Schiffer Stemmler wurde im anschließenden Verfahren zu 50 Gulden Strafe verurteilt.
Der Streit unter den Wertheimer Schiffern machte natürlich nach außen keinen guten Eindruck. Die Wertheimer Kanzlei wies die Schifferzunft in strengem Ton an, in Zukunft Zusammenlaufen, Tumult und respektwidriges Verhalten bei Abfahrten und Wasserreisen ab Wertheim zu vermeiden. Und man entwarf eine Ordnung, in der die Preise für Schiffsfahrten ab Wertheim festgelegt wurden: Aschaffenburg im Jagdschiff 21 Gulden, Mainz 50 Gulden, Koblenz 90 Gulden, Köln und Bonn 120 Gulden. Angegeben waren auch Aufschläge in Messezeiten und Preise, wenn eine Chaise auf einem angehängten Schiff mitgeführt wurde. Ob dieser Versuch, durch Einheitspreise Wettbewerb und Ärger zu vermeiden, erfolgreich war, darf ruhig bezweifelt werden.
Auch Philipp Jacob Müller traute dem Frieden unter den Wertheimer Schiffern nicht. Im selben Jahr schrieb er an die Regierung, die Exzesse beim Transport des Barons Reischach seien noch nicht gestraft und nun habe sich Fürst Esterhazy in Wertheim angekündigt. Müller fürchtete wohl, die Vorgänge könnten sich wiederholen. Möglich, dass es dem gewieften kurkölnischen Hofschiffer wiederum gelungen war, sich den Auftrag im Vorfeld irgendwie zu sichern.
Druck: Fränkische Nachrichten 26.7.2013