Sie waren eine richtige Metzgerdynastie, Hans Stark senior und junior. Der Vater ließ 1583 ein Haus am Wertheimer Neuplatz errichten, das dort bis heute steht. Der Vater belieferte auch den Hof der Grafen von Löwenstein-Wertheim. Von Mai bis Dezember 1598 rechnete er über 15 Zentner Rindfleisch ab (das Pfund zu elf Pfennig), dazu kamen noch knapp sieben Zentner Kalb- und Hammelfleisch (das Pfund zu acht Pfennig). Auch Kalbsfüße, Kalbsköpfe, Sülze und Speck hatte der Metzger im Angebot. Beachtliche Fleischmengen gingen da über den Tisch und machten die Hoflieferanten zu wohlhabenden Leuten. So wohlhabend, dass Hans Stark junior auch als Geldverleiher auftreten konnte.
Ob das zu seiner Beliebtheit beitrug, sei einmal dahingestellt. 1627 begann im benachbarten Würzburg eine Welle der Hexenverfolgung, die schließlich über 200 Opfer forderte, auch Kurmainz verfolgte die Hexen und im Sommer 1628 kamen auch in Wertheim Hexengerüchte auf. In der Stadt erhob sich „ein Murmeln des Hexenwerks halber“, wie es in einer Quelle heißt. Wenn die Hexen und Hexer in Würzburg ihr Unwesen trieben, würden sie es doch gewiss auch in Wertheim tun? Aber konnte man sich schützen? Und wer waren die Hexen? Das Murmeln sagte: Hans Stark gehört dazu. Ein Korporal bezeichnete ihn vor Zeugen als Zauberer und Hexenmeister, Michael Heffner tat dasselbe gar mitten auf dem Markt und setzte hinzu, wenn der Stark nicht zaubern könne, dann wolle er sich selbst verbrennen lassen. Eine starke Anklage – der Metzger wehrte sich mit juristischen Mitteln. Er verklagte Heffner wegen Beleidigung und übler Nachrede. Er habe auf offenem Markt und vor vielen Leuten „aus giftigem boshaftigem Gemüt mit ungewaschenem Maul ausgeschrien: Hans Starck sey ein Zauberer“, schrieb Stark an die Kanzlei und setzte hinzu, „ich bitte und flehe ganz untertänigst (...) wollen mir in solcher Ehr, Gut und Blut und die ewige Seligkeit betreffende Sache die heilsame Justiciam wiederfahren lassen.“ Es ging um Ehre, Besitz und sein Blut – Stark wusste, die Lage war ernst.
Während dieser Prozess lief, tauchte im Oktober eine Schmähschrift gegen den Metzgermeister auf: „Andreas Ries, Sattler, mit seiner grossen Dieberey / Hans Stark, Metzger, mit siner Zauberey / laß mir das zwen Gesellen sein / ... / von der Obrigkeit bleiben sy ungestrafft / das sey Gott ihm Himmel geklagt", war darin zu lesen. Anfang November wiederholte sich der Vorgang: Hans Stark fand auf seiner Fleischbank am Wertheimer Markt einen Zettel, auf dem ein Galgen, ein Henker und ein Holzhaufen abgebildet waren. Auf dem Markt entstand ein großer Auflauf. Stark schrieb wiederum an die Kanzlei: „Der Kirchner (Michael Heffner) sagt unverhohlen, der Stark kann hexen und ist ein Dieb, darbei deren sind noch drei seine Mutter und sein Anna Maria Hexen.“ Nicht nur Stark stand nun im Hexereiverdacht, sondern auch seine Mutter und seine Schwester, die Wirtin in der Rosenwirtschaft.
Wir halten an dieser Stelle fest, dass die Wertheimer Grafen trotz der Verdächtigungen aus der Bevölkerung noch keine Verfahren einleiteten. Im Dezember 1628 richteten dann 14 Wertheimer eine Eingabe an die Grafen, doch nun auch in Wertheim dass schreckliche Laster der Hexerei auszurotten, wie es damals hieß. Das bedeutete: Die Hexen mussten gefunden und verbrannt werden.
Wann genau Hans Stark inhaftiert wurde, ist nicht bekannt. Die ersten Inhaftierungen wegen Hexerei sind vermutlich im Februar des Jahres 1629 erfolgt. Erhalten haben sich Protokolle seiner Verhöre, in denen er (vermutlich unter der Folter) die üblichen Geständnisse machte.
Vor 21 Jahren war er mit seiner Mutter auf dem Weg nach Grünsfeld, als sie ihm den Teufel vorstellt. Der tauft ihn, nennt ihn Spitzfuß und lässt ihn seine Mutter beschlafen. Stark berichtet von Hexentreffen mit Fahrten auf dem Besen, Tanzen und Springen. Der Metzger berichtet von einem eigenartigen Trick, seinen Mitmenschen zu schaden: Wenn Bauern ihm ein Schwein nicht verkaufen wollten, ist er in den Stall hinein gefahren und dort auf den Schweinen geritten, worauf sie nichts mehr gefressen und die Bauern sie gerne verkauft hätten. Auffällig ist die hohe Zahl von Frauen, die er in den Geständnissen als „Buhlen“ angibt: die Friedlerin, in seinem wie in ihrem Haus, die Frau von Peter Drach, als sie noch ledig war, Barbara aus Hardheim, die Frau von Adam Heim, als sie noch ledig war, die Magd von Niclas Schürer, die zwei Töchter eines Bauern in Rotenbuch, die Tochter von Contz Staub in Neuhütte, ebenso „Landhuren“ in den Wirtshäusern an den Straßen nach Nürnberg und sonstige „Weibsbilder“ auf Reisen, besonders im Spessart. Vor zehn Jahren hatte Hans Stark „uf der Warth“ eine von Katzen gezogene Kutsche gesehen, in der eine Reihe von Menschen saß.
All dies waren typische Aussagen in den erzwungenen Geständnissen. Es waren genau jene Angaben, die die Juristen brauchten, um die Angeklagten als Hexer verurteilen zu können.
So auch Hans Stark. Während der Prozess lief, intervenierte sein Bruder Konrad Stark aus Nürnberg, auch die Stadt Nürnberg selbst schaltete sich ein. Genutzt hat es nichts. Am 6. Mai 1629 wurde der frühere Hoflieferant zusammen mit seiner Mutter und zwei weiteren Opfern verbrannt.
Druck: Fränkische Nachrichten 12.5.2011