Es muss um das Jahr 1590 herum gewesen sein, als die Freudenberger Schützen einmal großen Ärger mit dem Schultheißen hatten. Dass Schultheiß Caspar Kaufmann wütend wurde, hatten sie sich allerdings auch selbst zuzuschreiben. Waren die Schützen nach einem schönen Schießen doch noch nachts mit Pfeifen und Geigen in Freudenberg herumgegangen, wie sie das nach einem Schießen immer taten, dieses Mal aber hatten sie vor der Tür des Schultheißen angehalten und „etliche liebliche Spiel“ gemacht, wie die Schützen schrieben. Daraufhin sei der Schultheiß „auf gewuscht“, habe sie verjagt und am nächsten Tag vom Freudenberger Stadtrat eine Strafe von einem halben Gulden für jeden Teilnehmer beschließen lassen. Tja, wird man sagen, was mussten die Schützen auch Nächtens vor der Tür des Schulzen fiedeln und pfeifen. Da war der Katzenjammer vorprogrammiert.
Zumal es um das Verhältnis zwischen Schützen und Schulzen in Freudenberg ohnehin nicht zum Besten stand. Im Herbst hatte der Schultheiß ein Schießen der Schützen aufgelöst und ihnen vorgeworfen, sie wollten nur die Leute um ihr Geld betrügen. Ein anderes Schießen vor dem unteren Tor hatte Kaufmann einfach beendet. Begründung: dort würden noch Leute erschossen werden. Darüber erregten sich die Schützen und zogen mit Scheiben, Büchsen, Fahnen und Tafeln aufs Rathaus. Geschossen wurde nicht, aber die Schützen steckten ihre Fahnen „zum Rathaus hinaus“. Damit hatten sie symbolisch die Macht im Rathaus Freudenberg übernommen. Hinterher kam bei ihnen wohl die Sorge auf, es hiermit zu weit getrieben zu haben. Jedenfalls schickten sie ein begütigendes Schreiben nach Wertheim und versprachen, immer „unschädlich“ zu schießen, also keine Schäden anzurichten.
Wie so ein Schützenfest aussah, kann man einem Schreiben aus dem Jahr 1592 entnehmen. Da fragte der Freudenberger Bürger Hans Bechtold bei einem Wertheimer Hofrat um Erlaubnis für die „Gesellschaft der Schützen“ an für ein Büchsenschießen samt Bipappen, Tanz und „mäßiger Zech“, so wie die Gesellschaft ihre Kurzweil seit Alters her pflege. Hintergrund war vermutlich das Verbot übergroßer Belustigungen und übermäßigen Zechens, das die Obrigkeit damals wieder einmal ausgesprochen hatte. Schlauerweise lud Bechtold den Wertheimer Hofrat samt Frau dazu ein, an dem Vergnügen teilzunehmen, natürlich nur bei höchst maßvoller Zeche, versteht sich. Jedenfalls kann man an dieser Stelle sehen, dass ein Schützenfest damals nicht nur aus Schießwettbewerben bestand, sondern mit Tanz, Trinken und dem eigenartigen „Bipappen“ (Kartenspielen) auch weitere Spielarten des Vergnügens umfasste, andere Quellen erwähnen noch Würfeln und Junggesellentanz.
Aber das Schießen war damals nicht nur Vergnügen, sondern hatte auch einen militärischen Zweck. Schließlich mussten diejenigen Männer, die zum „Ausschuss“ gemustert wurden und sich im Kriegsfall mit einer Waffe zu stellen hatten, auch im Schießen geübt sein. Dies gaben jedenfalls die Dörfer der Grafschaft Wertheim regelmäßig als Begründung an, wenn sie ein Schießen veranstalten wollten. In der Stadt Wertheim wurde für jedes Stadtviertel ein Schützenmeister bestellt, der sich um Musterung, Bewaffnung und Schießübungen kümmern musste. Im Allgemeinen wohl ein eher freudloses Geschäft, das vor allem darin bestand, rückständige Geldbeiträge der Jungschützen aufzulisten und auf nicht vorhandene Musketen hinzuweisen. Immerhin hat sich aus dem Jahr 1603 die Einladung zu einem Preisschießen in Wertheim erhalten: Schützenmeister und Schießgesellen luden zum 13. November nach Wertheim. Ort: Schießplatz Wertheim, Beginn: 12 Uhr, Waffen: nur Musketen, geschossen wurde auf „schwebende Scheiben“. Der Graf von Löwenstein-Wertheim hatte einen „schönen Schweizer Ochsen“ im Wert von 25 Reichstalern als Gewinn ausgesetzt. Seine Söhne Friedrich und Wolfgang Ernst stifteten weitere Preise. Bei diesem Ereignis, an anderer Stelle ist von einem großen Festschießen die Rede, überwog sicher der Festcharakter das Militärische.
Ende Oktober des Jahres 1614 plante gar das Kloster Bronnbach ein Freischießen. Die Wertheimer Grafen waren damit gar nicht einverstanden: Geistliche Personen hätten sich nicht mit militärischen Übungen zu belustigen. Der Abt sollte die Veranstaltung absagen. An die Schützengesellschaft Wertheim erging die Warnung, sich an dem Schießen in Bronnbach nicht zu beteiligen. Der Reicholzheimer Schultheiß machte sich auf den Weg ins Kloster, um dem Abt die Wertheimer Beschlüsse mitzuteilen. Den Abt scherte das wenig. Er ließ ausrichten, „er hab einmal des Schießens wegen bericht, er schreib nit wiederumb“. So sorgte auch dieses Schießen für Ärger, jedenfalls in Wertheim, während das Schützenfest für die Klosterbewohner eine erfreuliche Kurzweil bedeutet haben dürfte, vielleicht sogar mit Tanz, Trinken und Bipappen.
Druck: Fränkische Nachrichten 19.8.2010