Es war schon dunkel, als der Lehrer Balthes Geiger an einem Mittwochabend im September 1595 an die Pforte des Klosters Bronnbach klopfte. Der Torwächter kannte den Geiger, der Lehrer in Hochhausen war. Dort bestellte das Kloster den Pfarrer. Er ließ ihn ein ohne zu ahnen, welches Drama sich daraus entwickeln würde.
Geiger kam an dem Abend aus Reicholzheim. Er hatte im Wirtshaus gezecht und sich dort auch schlafen gelegt. Aber aus dem Schlaf wurde nichts, irgend etwas trieb den Lehrer aus dem Bett. Er tobte und wütete in der Nacht im Wirtshaus so arg, dass seine Mitschläfer den Wirt holten. Als der kam, hatte sich Geiger bereits auf verhängnisvollen Weg nach Bronnbach gemacht.
Nachdem der Torwart ihn eingelassen hatte, klopfte Geiger zunächst am „Abtsgemach“, wie es in unserer Quelle heißt. Dabei muss es sich um den heute „Prälatenbau“ genannten Teil des Klosters handeln, der rechts an die Kirche anschließt. Er war in jenen Jahren gerade als Wohn- und Repräsentationsbereich des Abtes ausgebaut und aufgestockt worden – vielleicht war man damit auch noch nicht ganz fertig. Denn seltsam ist es schon, dass Geiger einfach so beim Abt anklopfen konnte. Abt in Bronnbach war damals Wiegand Mayer, in dessen Zeit viel im Kloster gebaut wurde. Für das Kloster war das damals ein Neubeginn, nachdem das Leben des Konvents in der Reformationszeit zum Erliegen gekommen war.
Auch die Räumlichkeiten für die Mönche (heute: Konventsbau, hinter der Kirche gelegen) wurden in dieser Zeit umgebaut. Eigentlich hätten sie nur für die Mönche zugänglich sein sollen, damit diese dort in der abgeschlossenen Klausur ihrem spirituellen Leben nachgehen konnten. 1595 war es mit der Klausur aber nicht weit her, wie der weitere Fortgang der Geiger-Geschichte zeigt. Denn der lief nun nicht nur vor dem Schlafhaus der Mönche auf und ab, sondern kam sogar ins Schlafhaus hinein. Von abgeschlossener Klausur konnte keine Rede sein. Die Mönche fürchteten sich und dachten: ein Gespenst. So schildert es jedenfalls unsere Quelle. Dass die damaligen Mönche an Gespenster glaubten, scheint etwas verwunderlich – aber im Taubertal kann es ja auch heute noch sehr, sehr dunkel sein. Die Mönche mussten jedenfalls erleben, wie das Gespenst (der Lehrer Geiger) durch ihren Schlafraum direkt in die Kirche lief. Die Treppe, auf der Geiger in die Kirche kam, ist bis heute vorhanden. Diese direkte Verbindung zwischen Schlafraum und Kirche erleichterte den Mönchen in allen Zisterzienserkirchen die Ausführung ihre nächtlichen Gebete.
Furor im Taubertal
Geiger aber kam nicht zum Gebet, vielmehr rumpelte und tobte er nun in der Kirche herum. Er muss in der Stille des Taubertals in einen regelrechten Furor geraten sein. Vor dem Altar stand ein Messbecken, das schoss er mit den Füßen hin und her. Metall auf Stein – schauerliche Geräusche in der Klosterkirche. Geiger greift sogar nach dem Glockenstrang und läutet die Glocken. Natürlich entsteht ein großer Tumult. Die Mönche und alle, die im Kloster sind, schnappen sich Lichter und laufen zur Kirche. Geiger wütet weiter in der Kirche herum. Man ruft ihm zu, er antwortet nicht. Er versteckt den Kopf im Mantel und hat einen großen Stecken in der Hand. Nun glaubt man: ein Dieb. Oder sonst einer „der was Bös im Sinn gehabt“.
Die Situation nachts in der Kirche muss krass gewesen sein. So krass, dass es schließlich zur Gewaltanwendung kam: Der Prior des Klosters hatte ein Gewehr mitgenommen. Damit schoss er nun auf den Lehrer, mitten in der Kirche. Aber vorbei. Dann schoss der Koch des Klosters, der ebenfalls mit einer Büchse in die Kirche gelaufen war. Der Koch trifft Geiger ins Bein. Er fällt. Man stürzt sich mit „Weidenstecken“ und Prügeln auf ihn und schlägt das vermeintliche Gespenst. Da erst sehen sie, dass es der Schulmeister ist. Er hat schwere Verletzungen davon getragen.
Am Morgen holt man den Wundarzt aus Wertheim. Als er kommt, ist schon der Bader von Külsheim dagewesen und hat den Geiger verbunden. Genutzt hat es nichts mehr. „Darnach über 14 Tag den 9. Oktober ist er gestorben und zu Bronnbach begraben worden.“ Im Gerichtsprotokoll heißt es hierzu: „Es hat sich ein schrecklicher Casus und Todtsfall mit dem Schulmeister zu Hochhausen, welcher nächtlicher Weil in das Kloster Bronnbach und dessen Kirchen kommen, begeben, allda er unversehener von etlichen Personen geschossen und tödlich verwundet worden, dessen er auch endlich gestorben.“
Erschossen bei Nacht in der Bronnbacher Klosterkirche: ein wirklich schrecklicher Fall.
Druck: Fränkische Nachrichten 7.6.2013