Fast alle Orte, die links des Mains früher zur Grafschaft Wertheim gehört haben, sind heute Ortsteile der Stadt Wertheim. Eine Ausnahme bildet Steinbach, das zu Külsheim gehört. Schon zu Grafschaftszeiten gab es einige Merkmale, die Steinbach zu einem besonderen Ort machten. Die größte Besonderheit besteht darin, dass Steinbach nie reformiert wurde. Es blieb ein katholisches Dorf in der evangelischen Grafschaft und die Steinbacher gingen nach Hundheim zur Kirche und auch zur Schule.
Vor genau 800 Jahren trat Steinbach auf die Bühne der Geschichte. Seine Ersterwähnung verdankt der Ort – genau wie Mondfeld und Hundheim – dem Kloster Bronnbach, in dessen Urkunden Steinbach zum ersten Mal genannt wird. Verantwortlich dafür sind ein gewisser Luipold von Steinbach und sein Sohn Crafto, die in einer Urkunde aus dem Jahr 1214 als Zeugen auftreten. 1430 erwarben dann die Grafen von Wertheim sämtliche Rechte in Steinbach, wofür sie 338 Gulden an die Herren von Riedern zahlten. Genau genommen war dies ein Kreditvertrag, in dem Steinbach als Pfand diente. Man hatte nämlich „Wiederkauf“ vereinbart, die Riedern hätten den Ort also jederzeit zurückkaufen können. Sie starben aber schließlich aus, ohne Steinbach ausgelöst zu haben. So wurde Steinbach, anders als Hundheim und Mondfeld, ein „echtes“ Dorf der Grafschaft Wertheim, allerdings in besonderer Lage, umgeben von Kurmainzer Gebiet.
Heirat mit einer Prinzessin
Wie viel waren die 338 Gulden, die Wertheim zahlte, damals wert? Zwei Zahlen zum Vergleich: 1423 wurde für eine Wertheimer Prinzessin eine Mitgift von 3000 Gulden vereinbart. Und als sich 1454 Cunz Flegler in Böttigheim verschulden musste, konnte er seinen Bauernhof mit 60 Gulden belasten. Für Steinbach hätte man also etwa sechs Höfe, wie der von Cunz Flegler einer war, erwerben können, für die Heirat mit einer Prinzessin hätte es aber nicht gereicht.
Durch die Steuerunterlagen der Grafschaft sind Vergleiche mit den anderen Grafschaftsorten möglich. In diesen Vergleichen belegt Steinbach meist hintere Plätze. Zum einen, weil es eben ein eher kleines Dorf war, und zum anderen, weil es in Steinbach immer auch Kurmainzer Untertanen gab, deren Steuern nicht nach Wertheim gingen. Im Jahr 1634 zahlte Steinbach beim Frongeld 52 Gulden und lag damit etwa gleichauf mit Michelrieth, während Urphar auf 139 Gulden kam. 1613 bekam die Grafschaft Wertheim 12 Leibhühner aus Steinbach (Urphar: 90), in den Jahren 1628 bis 1631 wurden nur zwei Verstorbene nach Wertheim gemeldet. 1687 wohnten 17 männliche Wertheimer Untertanen plus eine Witwe im Ort, die allerdings über viel Zugvieh verfügten (37). 100 Jahre später müssen die Einwohnerzahlen deutlich zugelegt haben, denn nun zahlte Steinbach mit über 200 Gulden Frongeld fast so viel wie Urphar und deutlich mehr als Vockenrot (141).
Nicht nur durch die in Steinbach wohnenden Kurmainzer Untertanen blieben Verbindungen nach Kurmainz bestehen. Steinbach gehörte auch weiterhin zu einem Kurmainzer Gerichtsbezirk für schwere Kriminalität. In gewisser Weise gehörten die Untertanen des kleinen Ortes Steinbach damit zu zwei Herrschaftsgebilden gleichzeitig.
Straßenbau bei Steinbach
Daraus entstanden immer wieder Streitigkeiten zwischen Wertheim und Kurmainz. Da wurde viel Papier beschrieben und Juristen setzten scharfsinnige Schriftsätze auf, in denen es um Steinbacher Delikte ging. Noch mehr Akten produzierte aber eine andere Frage: der Straßenbau bei Steinbach. Die besonderen Schwierigkeiten dieses Straßenbaus beruhten ebenfalls auf der Besonderheit der Steinbacher Lage, sozusagen eine Insel der Grafschaft Wertheim im Kurmainzer Gebiet zu sein. Über die Steinbacher Gemarkung verlief nämlich die Straße von Miltenberg nach Tauberbischofsheim, auf der ein Großteil des Verkehrs zwischen den Handelszentren Frankfurt und Nürnberg abgewickelt wurde. Eine derart bedeutsame Straße gab es sonst in der Grafschaft Wertheim nicht (sieht man einmal von der Wasserstraße Main ab).
An dieser wichtigen Verbindung versprach eine Zollstelle lukrative Einnahmen. Die wollte die Grafschaft nur zu gern an ihrem Zollstock in Steinbach erheben, während die Kaufleute sie durch einen kleinen Umweg zu vermeiden suchten. Rundherum war schließlich alles Kurmainzer Gebiet und keine Zölle fällig. Skurrile Situationen ergaben sich, als die Wertheimer den Umgehungsweg unpassierbar machten, um die Kaufleute an ihre Zollstelle zu zwingen. Es nutzte wenig. Handelszüge brachten eigens Arbeiter mit, die vor den Gespannen die Wertheimer Wälle entfernten, dann nahmen sie den Umgehungsweg und sparten den Zoll. Gleichzeitig versagten die Wertheimer beim Unterhalt ihres Straßenstücks. Mitte des 18. Jahrhunderts drängten die Mainzer auf Ausbau, weil der Postwagen dort wegen des schlechten Zustands mehrfach steckengeblieben war. Die Situation mit einem kurzen Teilstück einer eigentlich Kurmainzer Straße auf Wertheimer Gebiet erinnert ein wenig an den heutigen Ausbau der ansonsten bayerischen A3 auf Baden-Württemberger Boden. Nur dass Baden-Württemberg, anders als Wertheim damals, auf seinem Bettinger Teilstück keinen Zoll erheben kann.
1759 kam der Oberamtmann von Amorbach bei Nacht durch Steinbach und erregte sich schwer über den ruinösen Zustand der Straße. Er ließ sogar den Schultheißen wecken und drohte ihm, wenn der Weg nicht bald besser sei, werde er den Ort durch Soldaten ruinieren lassen. Die Regierung in Wertheim beschloss, tätig zu werden, aber nur das Nötigste machen zu lassen. Die Arbeiten litten auch unter der besonderen Lage Steinbachs: Für Frondienstleistende aus anderen Dörfern der Grafschaft war der Weg so weit, dass sie häufig unter Ausflüchten nicht erschienen. Diese Schwierigkeiten führten dazu, dass zum „Straßenbau bei Steinbach“ heute meterweise Akten im Archiv in Bronnbach überliefert sind – vermutlich mehr als zu jedem anderen Aspekt der Steinbacher Geschichte. Beim Steinbacher Chronist Scheuermann kann man nachlesen, dass die Wertheimer Zolleinnahmen schließlich trotz aller Schwierigkeiten zu sprudeln begannen. Sehr zum Ärger der Mainzer. Steinbach dürfte jedenfalls damals durch die Zollstelle und den Straßenbau bei den Händlern, die nach Frankfurt und Nürnberg unterwegs waren, weithin berühmt gewesen sein. Es war zwar nur ein kleiner Ort, hatte aber auf der Bühne der Geschichte eine besondere Rolle.
Druck: Fränkische Nachrichten 18.2.2014