Die bekannteste der frühen Aufnahmen Mitte der 1860er Jahre, später Vorlage des Kunstmalers Fritz Bach für sein 1931 geschaffenes großes Gemälde
Die ältesten Wertheimer Photos erschienen im Visitformat
Anders als die großformatigen Wertheimer Panoramenbilder um die Wende vom 19./20. Jahrhundert erblickten die ältesten photographischen Stadtaufnahmen in der Regel das Licht im Visitformat. Dies ist die Bezeichnung für etwa 6 mal 10 Zentimeter große Photokartons, auf die man die ursprünglich sehr dünnen Photopapiere aufkleben musste, weil sie sich beim Trocknen rollten. Einen vergleichsweise erstaunlichen Schatz solcher Erzeugnisse verleibte der Wertheimer Spitalpfarrer Wilhelm Maurer (1825–1888), selbst ein begnadetes Zeichentalent, seinem Skizzenbuch ein. Seine älteste Tochter Frida verehelichte sich mit dem Kaufmann und späteren Kommerzienrat Wilhelm Langguth, auf diese Weise vererbte sich der kostbare Fundus im Familienbesitz.
Begreiflicherweise kreiste das Interesse des Spitalpfarrers besonders um die das Hospital umgebenden Tauberpartien. So sind uns hier als einzigartige Zeugen jene Flussuferansichten unter- und oberhalb der holzgedeckten Tauberbrücke überliefert, ehe sie 1866/68 dem Bahnbau zum Opfer fielen. Besonders markant mutet der mächtige Südflügel des Spitalbaues an, wie er 1603 nach den Vorstellungen des Spitalmeisters Bernhardt Cantzler entstanden war. Um vier Fensterachsen musste die zinnenbewehrte Front wegen der Eisenbahntrassierung zurückgenommen werden. Den Rumpfbau, wie er sich heute darbietet, hat der Photograph bald nach Fertigstellung auf die Platte gebannt. Damals stand das altertümliche Brückenbauwerk noch, das 1873 dann ebenfalls dem modernen Verkehrsinteresse weichen musste.
Der Südflügel des Hospitals in seinem ursprünglichen Aussehen.
Wie unterhalb der Brücke die nach der Hochwasserkatastrophe von 1732 errichteten großen Barockhäuser unter ihrem gemeinsamen Walmdach eine Vorstellung vom einstigen Wiederaufbau bieten, so treten tauberaufwärts ins Bild die zeitgleich entstandenen Häuser der Schiffer Buch und Haas, dazwischen das Zunfthaus der Fischer und Schiffer. In der Tauber selbst reiht sich Holzschiff an Holzschiff, die alte Flotte der Wertheimer Schiffigen, die jahrhundertelang den Wohlstand in die Stadt brachten.
Das nach dem Bahnbau rückgebaute Hospital mit alter Tauberbrücke vor Sommer 1870.
Bedauerlicherweise fehlt auf den Rückseiten der Photokartons bei nahezu allen Aufnahmen jeglicher Hinweis, welcher Photograph ihr Urheber war. Lediglich das nach dem Bahnbau entstandene Bild mit dem umgebauten Hospital zeigt den Firmenaufdruck PHOTOGRAPHIE von M. SEHER in WERTHEIM. Die Entstehungszeit dieses Photos liegt vor dem Sommer 1870, denn Photograph Michael Seher ist – wie vor wengen Jahren im ersten Teil unserer Serie berichtet – am 22. Juli 1870 gestorben.
Aller Wahrscheinlichkeit nach gehen auch die anderen hier gezeigten topographischen Beispiele auf Seher zurück. Von seinem jüngeren hiesigen Kollegen Ludwig Pahl liegen aus den 1860er Jahren nur Atelieraufnahmen vor; zudem hielt er sich – bei gleichzeitiger Tätigkeit als Tanzlehrer – damals überwiegend in Miltenberg und Amorbach auf. Von photographischen Aufnahmen seiner Vaterstadt hört man erst 1885.
Markt von Süden: im Bild noch die alte Eckbebauung zur Maingasse. Kutsche und Wagen geben sich ein Stelldichein.
Ein Kabinettstück ersten Ranges stellt die hochformatige frühe Ansicht des Marktplatzes dar. Sichtbar ragt hier noch die barocke Freitreppe des einstigen »Italienischen Kellers« (Marktplatz 13) in den Straßenraum, die als ein unverwechselbares Werheimer Unikat nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Unverstand eines Architekten verloren ging.
Zu der Visitkartenserie des Würzburger Photographen Franz Albert (1836–1907) aus der Zeit vor 1882 gehörte außer dem Marktplatz (noch ohne Brunnen) auch als Hochformat der Spitze Turm vor der Burgkulisse.
Der Marktplatz noch ohne Brunnen (1882) und eine Totale der Burg von Norden gehören offensichtlich einer Serie an, die nach Aufdruck als PHOTOGRAPHIE VON F. ALBERT IN WÜRZBURG entstand. Dieser hatte dort seit 1862 gewirkt.
Die Burgfront von Norden, aufgenommen vom Würzburger Photographen Franz Albert.
Das linke Tauberufer, bevor der Eisenbahnbau die Bebauung zertrennte. In der Mitte das Zunfthaus der Fischer und Schiffer.
Umgeben von überraschend viel Grün, die holzgedeckte alte Tauberbrücke, hinter der Pappelbäume an der Stelle der heutigen Volksbank aufragen.