Auch in früheren Jahrhunderten wurde zum Jahresende fleißig geschrieben. Es gehörte einfach dazu, zum Jahreswechsel von sich hören zu lassen. Vor allem, wenn man dem Adel angehörte und miteinander verwandt war. Im Archiv der Fürsten Löwenstein kamen über die Jahrhunderte ansehnliche Stapel solcher Schreiben zusammen.

Im 17. Jahrhundert spielte Weihnachten dabei noch keine Rolle, sondern es ging nur um den Jahreswechsel. Mancher schrieb auch von „Jahres-Revolution“, was nichts anderes meinte als die „Abwechslung“ von einem Jahr zum nächsten. 1665 wünschte Hermann Egon Fürst zu Fürstenberg dem Wertheimer Grafen gut fränkisch einen „wohlwollenden Beschluss“ des alten Jahres, verbunden mit einem „fröhlichen Eingang“ des neuen. Der Fürstenberger hatte das Schreiben am 23. Dezember verfasst. Er vergaß auch die Gattin nicht: „A Madame votre femme mes tres humbles recommendations“, notierte Fürst Fürstenberg galant. Vierzehn Jahre später saß Anna Adelheid von Thurn und Taxis, ebenfalls eine geborene Fürstenberg, in Brüssel am Schreibtisch und formulierte ihre Grüße an die Wertheimer Verwandtschaft. Sie hoffe, heißt es da, dass „Euer Gnaden werden das alte Jahr fast abgelebet und das neue in gutem Wohlstand angetreten haben“. Wohlstand bezog sich damals nicht nur aufs Geld, sondern hieß ganz allgemein: Möge es ihr gut gehen. Und der Jahreswechsel ist in dieser Formulierung schon vorbei, Silvester ist gefeiert. Vermutlich eine treffende Einschätzung, denn bei den damaligen Brieflaufzeiten hatte ein Schreiben vom 25. Dezember keine Chance, vor Neujahr aus Brüssel nach Wertheim zu gelangen. Aber darum ging es gar nicht. Wichtig war, dass überhaupt geschrieben wurde. Anna Adelheid gratulierte noch zum Jahreswechsel („als bitt mir die Gnad aus, hierzu ... ganz getreulichen zu gratulieren“) und drückte den Wunsch aus, die Adressatin in Wertheim möge noch viele weitere Jahreswechsel erleben, in gutem Zustand natürlich („und Euer Gnaden noch viel folgende in beständigem Wohlstand und allem selbst verlangtem Wohlergehen erteilen wolle“). Der Hinweis auf viele weitere Jahreswechsel fehlt nie in diesen Schreiben. Ein langes Leben wünsch‘ ich Dir, würden wir heute sagen, und ein ganz kleines bisschen klingt da auch die Furcht vor dem neuen Jahr mit an. Was mag es bringen?

Die Überlegung zu den Brieflaufzeiten hat gezeigt, wie geruhsam diese Zeiten im Vergleich mit den unseren waren. Ein anderes Beispiel aus dem Jahr 1656: Am ersten Januar formulierte Johanna Gräfin zu Erbach ihren Wunsch für Graf Ferdinand Carl zu Löwenstein-Wertheim, „daß die hohe göttliche Majestät uns nicht allein das angetretene Jahr durch, sondern auch die noch übrige Zeit unserer Wanderschaft auf dieser arger Welt in dero väterliche Hut nehmen und mit reichem Segen all unser Tun und Lassen zu beseeligen geruhen wolle.“ Am 24. Januar nahm Ferdinand Carl diesen schönen Wunsch zur Kenntnis und am 2. Februar konzipierte er sein Antwortschreiben. So viel Zeit hatte man damals.

Im 18. Jahrhundert wurden dann neben dem Jahreswechsel auch die „heiligen Weihnachts-Festivitäten“ oder die „heiligen Christ-Ferien“ wichtig. Ganz wie heute: Neben den gesegneten Feiertagen steht der gute Rutsch. Im Archiv der Fürsten Löwenstein in Bronnbach sind zahlreiche derartige Glückwünsche an den langjährigen Fürsten Carl Thomas erhalten. Da wünschte etwa die Landgräfin Ernestine von Hessen am 26. Dezember dem Fürsten „viele neue fürstliche Freuden und Vergnügungen“ und natürlich viele weitere Jahreswechsel. Worin die von ihr gewünschten Freuden und Vergnügungen bestanden, ließ sie leider offen. Franziska Christina, als Äbtissin der berühmten Reichsabtei Essen eine ebenbürtige Reichsfürstin, dankte Carl Thomas am 22. Dezember 1739 für seine Wünsche zum Jahreswechsel, und wünschte ihm ihrerseits „alle erdenklichen Glückseligkeiten von Herzen“. Das war schön formuliert, und ebenso schön schloss das Schreiben mit der Versicherung, dass sie zur „Erweisung aller angenehmer freund-mühmlicher Dienstgefälligkeiten stets bereitwillig verbleibe.“ Der Vetter aus Hohenlohe sprach einmal von „herzlicher Anwünschung aller erdenklichen Zufriedenheiten“ – ein wenig schwerfällig vielleicht, aber inhaltlich überzeugend. Ein Wunsch, der keine Wünsche offen lässt.

Von Fürst Carl Thomas hat sich ein Glückwunschschreiben an seine eigene Ehefrau erhalten. Maria Antonia war eine geborene Herzogin von Holstein-Wiesenburg. Auch der Fürst formulierte einen Wunsch für seine Gattin, nämlich „.. daß der Allerhöchste Euer Liebden bis in die spätesten Zeiten in ... Wohlsein zu meiner vollkommensten Vergnügung gnädiglich erhalten wolle.“ Und er setzte noch hinzu, alle ihre Wünsche möchten in Erfüllung gehen, um sich dann „aufs Neue zu Dero unschätzbarer Gewogenheit gehorsamst“ zu empfehlen.

Verglichen mit den Formulierungen dieser barocken Briefe sind unsere Zeiten, so wird man sagen können, nicht nur schneller, sondern auch wesentlich nüchterner.

Druck: Fränkische Nachrichten 31.12.2011