In dieser Reihe geht es heute noch einmal um einen Wertheimer Kirchenmann aus den Jahren der Reformation. Jacob Werndt ist sein Name. Als Werndt 1515 als Chorherr ins Wertheimer Stift aufgenommen wurde, schien sein weiterer Weg vorgezeichnet. Als Mitglied des Stifts hatte er zur Versorgung die Einkünfte der Pfründe der Marienkapelle bekommen. Nicht unbedingt die am höchsten dotierte Pfründe des Stifts, aber immerhin. Werndt war im Bistum Bamberg zum Priester geweiht worden und dürfte auch ein Studium absolviert haben. Im Gegenzug versprach er damals dem Wertheimer Grafen Georg, was alle Dienstleute des Grafen versprechen mussten: Schaden von ihm abzuwenden, nichts gegen ihn oder seine Erben zu unternehmen und alle Streitigkeiten vor dem Wertheimer Gericht auszutragen. Und er versprach, selbst in Wertheim zu wohnen und seinen Pflichten im Chorstift persönlich nachzukommen.
Dann kam 1517 mit Luthers Thesen, 1521 der Bann gegen Luther und 1524 die Wertheimer Synode, bei der Graf Georg herausfinden wollte, was seine Geistlichen von der Reformation hielten. Es war wenig, wie wir in der letzten Folge gesehen haben, aber Werndt dürfte zu denjenigen gehört haben, die den neuen Lehren positiv gegenüberstanden. Etwa um 1525 nämlich kam es am Chorstift zu Streitigkeiten zwischen einer „papistischen“ Fraktion und Anhängern der Reformation. Es ging ums Geld, um die Verwendung der Mittel des Chorstifts. Und Jacob Werndt gehörte hier eindeutig zu den „Nicht-Papisten“.
1528 finden wir ihn dann nicht mehr als Chorherr, sondern als Pfarrer in Dertingen. Dort ist er allerdings in einer schwierigen Lage. Er ist nämlich in eine Auseinandersetzung mit Johann Eberlin verwickelt, den Graf Georg als Reformator geholt hatte. In Wertheim war er eine Art Superintendent und damit auch Werndts Vorgesetzter. Die Hintergründe des Streits waren wohl eher profan, Genaueres weiß man nicht. Es hat sich aber ein Brief Werndts an den Grafen Georg erhalten (also sozusagen den obersten Vorgesetzten), in dem er klagt, Eberlin habe ihm mit Haft im Turm gedroht. Der Pfarrer von Dertingen im Spitzen Turm eingekerkert - raue Sitten unter den Kirchenmännern! Zwischen den beiden muss es großen Ärger gegeben haben. Wenn nun auch Graf Georg sich von ihm abwende, „ist es mit mir aus, das weiß ich.“ Werndt findet sich bisweilen selbst etwas eigenartig: „Ich hab ein wunderlichen seltsamen Kopf, ja, bin aber nyemant damit zu Schaden.“ Und weiter: „Ist vielleicht mein Kreuz von Gott, das ich nymant gefall“.
Leider war der Ärger mit Eberlin nicht Werndts einziges Problem. Auch in seiner Pfarrei Dertingen sah es nicht gut aus. Dort gab es nämlich einen Schultheißen, der von den Dertingern für einen „weisen Mann“ gehalten wurde und sich selbst als Pastor bezeichnete. Wenn Werndt predigt, macht der Schultheiß die Leute verrückt und sorgt dafür, dass sie aus der Kirche laufen. So geschehen am letzten Sonntag. Die Dertinger sind für den Pfarrer ohnehin ein schwieriges Völkchen, sie „nehmen die Lehre des Evangeliums nicht an“. Werndt hatte also Ärger mit seinem Chef in Wertheim, in Dertingen einen Schultheißen, der selbst den Pfarrer spielte, und eine Gemeinde, die nicht auf ihn hörte. Immerhin erfahren wir aus dem Brief an den Grafen Georg noch, dass er mittlerweile geheiratet hatte. Die Abkehr von der alten Lehre hatte er also für jeden sichtbar vollzogen.
Angesichts der Umstände kann man verstehen, dass Pfarrer Werndt einen neuen Wirkungskreis suchte.Von Dertingen kam Werndt nach Uettingen und Ende der 1530er Jahre dann nach Laudenbach am Main. Erneut hat sich ein Schreiben des Pfarrers an die Herrschaft erhalten. Um es gleich zu sagen: Es sah wieder nicht gut aus.
Werndt hat Schulden und kann seine Gläubiger nicht mehr bezahlen. Nun kommen noch zusätzliche Ausgaben für den Schulbesuch seiner Söhne dazu und damit ist bei Pfarrer Werndt endgültig Matthäi am letzten. Deshalb bittet er die in Wertheim regierende Gräfin Barbara, diese Kosten zu übernehmen. „Dann es stunde sonst mein Verderben darauf“, schreibt Werndt, „die Not zwück mich.“ Immer war der Sold zu gering. In Uettingen hat er 40 Gulden bekommen sollen, es wurden kaum zwanzig. Dann war auch noch das Pfarrhaus zur Hälfte an einen anderen vermietet. Das gab viel Ärger und Lauferei, aber „nymant wolt mir helfen“. Und trotz aller Briefeschreiberei hat sich in Uettingen nichts gebessert. Werndt hatte aber auch wirklich Pech: In Dertingen liefen die Leute dem Schultheißen nach, der Pfarrer sein wollte, und in Uettingen wohnte jemand anderes mit im Pfarrhaus, den er nicht hinaus bekam. Und als er dann nach Laudenbach kam, folgte der nächste Tiefschlag: Das Einkommensregister der Pfarrei ist nicht auffindbar, ein jeder zahlt, „was er selber willig bekennt“. Und das bedeutet für Werndt wieder: Hungertuch.
In der Tat war in diesen Jahren des Übergangs die Bezahlung der Pfarrer und Lehrer ein großes Problem. Vielerorts war sie schlicht zusammengebrochen. Auch Luther selbst hat in dieser Sache 1525 bei Kurfürst Johann von Sachsen interveniert. Die Pfarrer hatten keine Zusatzeinnahmen etwa durch Totengedächtnisse mehr, die zu den Pfarreien gehörenden Zinsen wurden nicht mehr regelmäßig bezahlt, und die Fürsten fürchteten neue, dauerhafte Personalkosten. Und die waren jetzt auch noch höher als zuvor, weil Ehefrauen und Kinder nun offiziell dazu gehörten. Ergebnis waren Pfarrer arm wie Kirchenmäuse, die niemand mehr respektierte. Oder mit Luthers Worten: „So achtet der gemein man weder Prediger noch Pfarrer.“
Genauso sah es auch bei Werndt aus. Die Soldzahlung ist ein Jahr im Rückstand, alle Rücklagen und Vorräte aufgebraucht. Die Gläubiger bedrängen ihn. Die Zeiten für die Priester sind ohnehin ganz anders als im „Babstum“, schreibt Werndt. Wo früher ein „Bebstischer“ sich mit 30 oder 40 Gulden Sold erhalten konnte, zu dem dann die Gebühren für allerlei Zeremonien kamen, brauche man nun 80 bis 100. „O lieber Gott was soll ich tun.“ Wenn er aber seine Gläubiger nicht bezahlt und in Schande gerät, wird das auf alle Evangelischen abfärben, meint Werndt und gibt zu bedenken: „Wer wollt sein Kind zu dem Studio halten, da einer sein Leben lang ein Bettler arm und veracht musst sein, wer wollt ein Prediger werden?“ Nicht schlecht argumentiert von Pfarrer Werndt, der seine eigene finanzielle Notlage mit dem gar nicht mal diskreten Hinweis verband, wenn es so weiterginge, gäbe es bald überhaupt keine evangelischen Pfarrer mehr. Gräfin Barbara jedenfalls war zumindest beeindruckt und sagte ihm in ihrer Antwort für das laufende Jahr zunächst 18 Gulden zusätzlich zu. Das bedeutete mindestens eine Linderung für den Kirchenmann, der in seinem Leben einiges mitgemacht hatte.
Druck: Fränkische Nachrichten 3.7.2012