Am 1. April des Jahres 1585 kehrte Gall Ruck in der Wertheimer Rosenwirtschaft in der Brückengasse ein. Ruck kaufte Wein und Brot für drei Batzen und begab sich auf ein mainabwärts fahrendes Schiff. Am Abend erreichte man Großwallstadt, wo Ruck für sechs Batzen übernachtete und speiste. Den nächsten Tag verbrachte er in Frankfurt, für Übernachtung und drei Mahlzeiten war über ein Gulden fällig – Großstadtpreise. Mainz kam ihn mit zwei Gulden und drei Batzen noch teurer. Zwei Übernachtungen im Schwarzen Bären waren fällig, weil Ruck auf einen Reisekollegen warten musste.

Mainz war nur eine Zwischenstation auf dem Reiseweg des Wertheimers. Sein Ziel: Ostfriesland. Sein Auftrag: Pferdekaufen. Sein weiterer Weg ging per Schiff über Bingen nach Köln, wo er drei Tage Aufenthalt hatte und in der Wirtschaft Zum Alten Turm eine ordentliche Zeche machte. In Köln tat Ruck sich mit dem Sekretär Jehring aus Emden zusammen. Gemeinsam ging es in einem Fuhrwerk nach Ostfriesland. Schnell war das nicht, 53 Mahlzeiten rechnete Ruck für die Strecke Köln-Aurich ab, man wird also von gut zweieinhalb Wochen ausgehen können. In Emden hieß es dann wieder warten. Graf Edzard von Ostfriesland hatte nämlich gerade Gesandte aus Karlsruhe zu Besuch und keine Zeit für Ruck. Der wartete im Weißen Schwan: vier Tage, vier Gulden.

Warum überhaupt Friesland? Das heute noch existierende Friesenpferd soll aus dem 16. Jahrhundert stammen. Die Niederlande waren spanisch besetzt, und es ergaben sich Kreuzungen zwischen spanischen Pferden und einheimischen, eher lethargischen Friesen. So entstanden starke, athletische Tiere. Möglich, dass sich deren Ruhm bereits bis nach Wertheim herumgesprochen hatte.

Gall Ruck jedenfalls bekam seine Audienz beim Friesengrafen. Der winkte allerdings ab, litt er doch selbst unter Pferdemangel. In Wertheim trafen in den nächsten Wochen Briefe aus Friesland ein, in denen es hieß, man würde gerne helfen, sei aber von Pferden ganz entblößt, „dass uns für unsern selbst eigenen Leib zu reiten nichts Tauglichs übrig blieben“. Ruck ließ sich aber nicht entmutigen. Vielleicht fand er auch Gefallen an der friesischen Meeresluft. In den nächsten Wochen reiste er mit einem einheimischen Stallmeister zwischen Aurich, Leer und Friesoythe herum und besichtigte Pferde. Es versteht sich, dass man dabei auch speisen musste und natürlich übernachten, und es versteht sich, dass Ruck die Kosten für den Stallmeister mit übernahm.

Und er war erfolgreich. Sechs Pferde konnte er erwerben, Hellbraune und Schwarzbraune und ein kleines Räpplein. Insgesamt gab er für die Pferde 227 Taler aus, was etwa 257 Gulden entsprach. Eine stolze Summe. Zum Vergleich: Ein Schwein zum Mästen kam damals auf dreieinhalb Gulden, ein Ochse auf 15 Gulden und die gesamten Ausgaben des Grafenhofes in Wertheim für Kleidung beliefen sich im Jahr 1585 auf 34 Gulden.

Ruck jedenfalls gab nach seiner Rückkehr eine detaillierte Reisekostenrechnung ab, der wir alle diese Informationen verdanken. Zu den Pferdekosten kamen noch gut 100 Gulden für Übernachtung, Verpflegung und sonstige Kosten, die bei Reisen eben anzufallen pflegen. Gall hatte da gewisse Spielräume, denn wer wollte in Wertheim schließlich später überprüfen, ob die dritte Übernachtung in Köln wirklich nötig gewesen war? Oder das wochenlange Herumgereise in Friesland? Am Ende hatte er sein Budget um 35 Gulden überschritten, was etwa zehn Prozent entspricht und moderat erscheint. So geht‘s gerade noch, könnte sich Ruck gedacht haben, als er die Rechnung aufsetzte. Übertreiben darf man es nämlich nicht bei Reisekostenabrechnungen, sonst schickt der Chef das nächste Mal einen anderen. Aber schließlich hatte Ruck ja tatsächlich die Pferde nach Wertheim gebracht und konnte seinem Chef, dem Grafen, vollen Erfolg melden.

Den Rückweg nach Wertheim, nun mit den Pferden im Gepäck, nahm er über Oldenburg, Vechta, Paderborn, Kassel und Frankfurt. Am 22. Juni 1585 kam der Trupp wieder in Wertheim an. Fast drei Monate war Gall Ruck unterwegs gewesen, um in Ostfriesland Pferde für Wertheim zu besorgen. Eines von ihnen soll im Wertheimer Spital eingesetzt worden sein.

Druck: Fränkische Nachrichten 11.3.2010