Im Sommer 1630 war König Gustav Adolf von Schweden auf Usedom gelandet. Er griff auf Seiten der Protestanten in den Krieg ein, den man heute den 30jährigen nennt. Ein beispielloser Siegeszug begann: Stadt für Stadt, Territorium für Territorium wurde von Gustav Adolfs Truppen eingenommen. Nach einer im September 1631 bei Leipzig gewonnenen Schlacht war der Weg nach Süden frei. Anfang Oktober eroberten die Schweden die Würzburger Festung.

Damit war klar: Sie würden auch nach Wertheim kommen. Die Grafschaft Wertheim wurde damals von vier Brüdern Löwenstein regiert, von denen einer – Johann Dietrich – katholisch geworden war. Die Herren der Grafschaft standen also auf verschiedenen Seiten. Wer in Wertheim das Sagen hatte, richtete sich nach dem Stand des Krieges. Bevor die Schweden nach Franken kamen, hatte der katholische Johann Dietrich das Heft in der Hand. Er verließ nach der Eroberung Würzburgs nun fluchtartig Wertheim, wo noch am selben Abend schwedische Soldaten auftauchten.

Für die Bevölkerung der Grafschaft Wertheim setzten die protestantischen schwedischen Truppen etwas fort, was sie von den katholischen kaiserlichen schon kannten: Einquartierungen, Sondersteuern, Tribute und Lebensmittelabgaben. Es waren harte Zeiten für den einfachen Mann. Zahllose Klagen der Untertanen sind im Archiv überliefert. Auf der Ebene der großen Politik folgte aber zunächst ein Großereignis in Wertheim: König Gustav Adolf kam nach Wertheim.

In der Burg waren Soldaten untergebracht, und so nahm der König mit seinem Hofstaat in der Kemenate Quartier. Er blieb für eine Nacht. Nach heutiger Rechnung war es vermutlich die vom 20. auf den 21. November – die Datierung hat ihre Tücken, weil Katholiken und Protestanten damals eigene Kalender führten. In Wertheim gab man sich alle Mühe, dem König diese eine Nacht so angenehm wie möglich zu gestalten.

Im Archiv haben sich Rechnungen über Leckereien erhalten, die man dem Schweden in die Kemenate brachte. Die schönsten Gewürze und Süßwaren wurden aufgefahren: Pfeffer, Ingwer, Safran und Zimt gehörten ebenso dazu wie Oliven, Pflaumen und Zucker in verschiedenen Variationen. Der Schwede konnte sich an Koriander, Rosinen, kandiertem Fenchel erfreuen und Zitronen, Limonen und Pomeranzen zu sich nehmen. Pfefferkuchen war ebenso vorhanden wie Nürnberger Kuchen (also Lebkuchen) und „Manus Christi“, vermutlich ein Zuckerkuchen. Es war schon allerhand, was die Wertheimer Küchen und Apotheken mitten im Krieg noch hergaben.

Gustav Adolf verließ Wertheim am nächsten Tag Richtung Miltenberg. Im Frühjahr darauf erfreute er Bürger und Grafen mit großzügigen Schenkungen. Im Mai befreite er die Wertheimer Bürger von der Leibeigenschaft, bis heute eine der prächtigsten Urkunden im Stadtarchiv. Bereits im Februar hatte Gustav Adolf die verbliebenen drei evangelischen Grafen in alle Besitzungen eingesetzt, die zuvor ans katholische Würzburg verloren gegangen waren. Dazu übertrug er ihnen den Besitz der Klöster Bronnbach, Triefenstein, Grünau und Holzkirchen.

Die Bronnbacher Mönche waren in diesen Jahren geflohen. Spätere Berichte beschreiben Zerstörungen im Kloster, die Plünderung der liturgischen Ausstattung und die Aufstellung eines protestantischen Altars. Es gibt aber auch Unterlagen, nach denen die evangelischen Grafen recht häufig im Kloster übernachteten und dort auch Gäste empfingen. Dabei floss der Wein, glaubt man den Abrechnungen, in Strömen, und der Wertheimer Apotheker Tillmann lieferte Gewürze und Spezialitäten. Das Kloster war also in diesen schwedischen Jahren keine rauchende Ruine, sondern ermöglichte ein für Adelige angemessenes Unterkommen. Für die Untertanen der Klöster änderte sich ohnehin wenig: Ein Verwalter der Grafen zog ihre Abgaben ein wie eh und je.

Gustav Adolf starb ein Jahr nach seinem Besuch in Wertheim in der Schlacht bei Lützen. Damals ermahnte der schwedische Statthalter in Würzburg, General Kraft von Hohenlohe, alle Beamten und Untertanen, Unordnung und Konspiration mit Feinden zu vermeiden und stattdessen Treue zu beweisen. Im Januar 1633 fand dann ein besonderer „Klag- und Trauertag“ zu Ehren der verstorbenen Königlichen Majestät zu Schweden statt. Dafür versammelte sich die Geistlichkeit der Grafschaft Wertheim – also auch die Pfarrer aus den Dörfern – in der Residenzstadt, und zwar im Hospital, dem heutigen Kulturhaus. Der Forstmeister hatte dafür zwei Wagen mit Brennholz zu besorgen, damit man kochen konnte, und Wildbret und Vögel. Der Zinsschreiber bezahlte die erhebliche Summe von 59 Gulden zur Verpflegung der Pfarrer.

Ein Jahr später waren die schwedischen Jahre in Frankens Geschichte schon wieder vorbei. Die Katholiken gewannen erneut die Oberhand. Im Dezember 1634 wurde die Vergrößerung der Grafschaft Wertheim durch Rückübertragung auch juristisch wieder rückgängig gemacht.

Ein langjähriger Wertheimer Beamter musste sich damals beim Grafen Johann Dietrich gegen den Vorwurf verteidigen, für die Schweden gearbeitet zu haben. Davon könne keine Rede sein, so der Beamte. Er habe immer nur getan, was seine Vorgesetzten von ihm verlangten. Und in der Schwedenzeit waren dies eben die evangelischen Brüder Johann Dietrichs. So vollbrachte mancher Beamte der Grafschaft Wertheim im 30jährigen Krieg eigentlich unglaubliche Leistungen, indem er sozusagen auf beiden Seiten gleichzeitig stand. Zum Glück für die Beamten allerdings nur nacheinander, wie es das Kriegsglück eben erforderte.

Druck: Fränkische Nachrichten 25.10.12