In den heutigen "Bronnbacher Archivalien" geht es um zwei Wertheimer, die 1578 und 1579 geboren wurden. Beide stammten aus guter Wertheimer Familie, und in beider Leben war der Baunachshof in der Friedleinsgasse ein fester Bezugspunkt.
Den Hof ließ Lorenz Baunach 1577 umbauen. Man sieht ihm bis heute an, wie wohlhabend sein Erbauer war. Das Geld Baunachs stammt überwiegend aus dem Weinhandel. Nach den Steuerlisten im Stadtarchiv hatte er 1575/76 über 110 000 Liter Wein eingelagert, 1589/90 waren es etwa 12 000 Liter, 1599 gut 20 000. Diesen Wein verkaufte Baunach nach auswärts. Anfang der 1590er Jahre streckte er Graf Ludwig zu Löwenstein einmal 500 Gulden vor – der Graf war in den Augen des Weinhändlers kreditwürdig.
1574 hatte Baunach Barbara Rüdiger geheiratet. Im Ehevertrag heißt es: „Zum ersten: Sollen sie beide Lorenz Baunach und Jungfrau Barbara einander zu der heiligen Ehe nehmen und haben, nach christlicher Ordnung, Gewohnheit und Brauch zur Kirche kommen, dieselbige Ehe also bestätigen lassen, forders beischlafen und einander eheliche Beiwohnung tun, wie frommen Eheleuten gebührt.“ Der Vertrag wurde beglaubigt durch eine stattliche Liste ehrbarer und wohlhabender Wertheimer Bürger als Zeugen und von Bürgermeister Georg Lurtz mit dem städtischen Siegel besiegelt. 1574 Heirat, 1577 Hausbau, 1579 Geburt des Sohnes Lorenz Baunach Junior (dem später noch eine Tochter Margarethe folgte) – das Leben des Lorenz Baunach Senior konnte sich sehen lassen.
Auch Hauptmann Georg Freund gehörte zur Wertheimer Oberschicht. Vater und Bruder waren Wertheimer Amtleute gewesen und die Familie hatte vom Kaiser das Privileg erhalten, ein Wappen zu führen. Freund führte den klangvollen Titel „Hauptmann der königlichen Majestät in Spanien“, vielleicht war er in habsburgischen Diensten in den Kriegen mit den abgefallenen niederländischen Provinzen aufgestiegen. 1578 war sein Sohn Georg Freund Junior geboren worden. Als der Hauptmann 1583 starb, hinterließ er ihm ein beträchtliches Erbe. Allein 1500 Gulden hatte der Hauptmann der Stadt Wertheim geliehen, sein Sohn bekam nun die Zinsen. Dazu kam eine ganze Reihe von kleineren Beträgen verliehenen Gelds. Im Inventar des Nachlasses finden sich Betten, Tuche, Kleidung, Zinnsachen, eine Rüstung mit einem Sturmhut, ein kleiner welscher Dolch. Ein Rapier mit einem spanischen Gehänge erinnerte an die frühere Tätigkeit Freunds. Wie üblich in solchen Fällen wurden Vormünder bestellt, die den Nachlass für den unmündigen Sohn verwalteten. Einer von ihnen war unser Weinhändler Lorenz Baunach. Jahr für Jahr erstellte er nun eine Übersicht, was mit dem Vermögen seines Mündels geschehen war, übrigens in vorbildlich ordentlicher Weise.
Über die Schulzeit von Georg Freund Junior und Lorenz Baunach Junior wissen wir nichts. Georg Freund begann Mitte der 1590er Jahre ein Studium wohl in Straßburg. 1597 wechselte er nach Jena. Jena war bei Wertheimern als Studienort beliebt, zwischen 1550 und 1650 gingen 44 Wertheimer Landeskinder an die sächsische Hochschule. Von Freund haben sich aus diesen Jahren Briefe an seinen Vormund erhalten. Lorenz Baunach wird sie in seinem Haus in der Friedleinsgasse geöffnet haben. Die Briefe begannen mit der Formel „kindliche Lieb und Treu zuvor, samt Wünschung aller glückseliger Wohlfahrt“, kamen auf die Gesundheit Baunachs zu sprechen und dann zum immer gleichen Punkt: Der Bitte um Geld. Kein einziges Wort verlor Freund über den Inhalt seines Studiums. Stattdessen: Geld. Es begann im Juni 1597 mit dem Hinweis „Gleichwohl war das Geld, so wie mit allhier bracht, wenig gewesen“, gefolgt vom Hinweis, als Neuankömmling habe er in Jena keinen Kredit, sondern müsse alles bar bezahlen. Mit vier Gulden für Zehrung, so Freund, komme man nicht weit, vor allem wegen des Biers, „und nicht bald einer genug kann von haben.“ Im September hat Freund noch ein anderes Thema: die Angst vor der Pest. Bislang sei in Jena „noch sehr frische Luft“, und es seien auch höchstens drei Personen gestorben, die sich aber auswärts angesteckt hätten. Was allerdings passieren werde, wenn die „böse Luft“ auch Jena erreiche, wisse er nicht. Das war schon einmal passiert und die Universität an einen anderen Ort verlegt worden, was allerdings alle Beteiligten derart teuer gekommen war, dass Freund nicht mit einer erneuten Verlegung rechnet. Weiter berichtete er nach Wertheim, dass er sich einen Mantel aus englischem Tuch und einen „Nachtpelz“ machen lassen wollte. Dafür brauchte er, na klar, Geld. Der zentrale Satz im Brief vom 19. Dezember 1597 waren nicht etwa Weihnachts- oder Neujahrswünsche, sondern: „Ist demnach an euch mein freundlich Bitt, ihr wöllet mit diesem Boten das Geld herein schicken.“ Lorenz Baunach wird mit der Zeit schon vor dem Öffnen der Briefe gewusst haben, was ihn erwartete. Im Februar 1598 heißt es aus Jena, Freund hat sich einen Mantel machen lassen, ihn aber noch nicht bezahlt, und nun täglich Besuch von dem Schneider. Im Juni 1599 aus Heidelberg: der Ort ist ziemlich teuer, allein der Tisch (also das Essen) braucht einen Reichstaler pro Woche. Bittet daher, ihm 50 Gulden zu schicken. Im Juli 1599 berichtet er aus Heidelberg von einer „bequemlichen Gelegenheit“, sich „in Welschland“ zu begeben. Dafür braucht er nur, wen wundert‘s, Geld, das Baunach ihm unverzüglich schicken soll: „Denn ich mein lebenslang dieses nicht mehr sehen werde, was ich in diesem Jahr sehen möchte.“ Am 9. August teilt er aus Heidelberg mit, dass das Geld angekommen ist und er bald nach Straßburg gehen wird. Im September 1599 ist er wieder in Straßburg und kondoliert Baunach zum „tödlichen Abgang euer lieben Hausfrau“, deren Tod auch ihn sehr bekümmert habe. Im November berichtet er aus Straßburg, dass „das Geld bald aus den Händen gehet“. Will 60 Gulden. 31. Dezember: das Geld ist noch nicht da, die Gläubiger bedrängen ihn, er hat sich einen Mantel machen lassen: braucht mehr Geld, am besten 80 Gulden.
Ob Lorenz Baunach an dieser Vormundschaft wirkliche Freude hatte? Die Vormundschaftsrechnungen führte er jedenfalls vorbildlich. Wirklich ärgerlich dürften für Lorenz Baunach aber die Prozesse gewesen sein, in die sein eigener Sohn Lorenz verwickelt wurde. Der war zunächst auch Student, 1599 war er an der Nürnberger Universität Altdorf immatrikuliert. Im selben Jahr starb Mutter Baunach, sodass ihr die weiteren Geschehnisse um ihren Sohn erspart blieben. Es war im Jahr 1605, als Andreas Nicklaus, Häcker aus Wertheim, feststellte, dass seine Stieftochter Anna schwanger war. Im Beisein mehrerer Zeugen gab Anna als Vater den Lorenz Baunach an. Passiert war es an Fastnacht: Baunach hatte Nickels Heckenwirtschaft besucht, und der hatte ihm für den Heimweg seine Tochter mit einer Laterne mitgeschickt, „weil es sehr finster gewesen“. In der Baunach’schen Küche war es dann zu „unehelichem Werk und fleischlicher Vermischung“ gekommen, „auf dem Herd“, wie Nicklaus zu berichten wusste. Nach Ostern hatte sich der Vorgang wiederholt, diesmal in Baunachs Bett in seiner Kammer. Nicklaus wollte nun die Ehre seiner Stieftochter wiederherstellen. Baunach sollte sie deshalb entweder heiraten, das Kind zu sich nehmen oder die Anna ausbezahlen. Baunach wurde von der Wertheimer Kanzlei vorgeladen, kam aber nicht, wurde erneut mit Strafandrohung vorgeladen, ohne Erfolg. Ende Dezember meldete sich Nicklaus erneut. Das Kind war geboren (eine Tochter), der Zeitraum seit Ostern passte, und bei der Taufe war Baunach als Vater angegeben worden.
Dass Baunach die Anna nicht heiraten konnte, lag an einem bislang noch nicht erwähnten Umstand. Er war nämlich sozusagen in festen Händen, hatte er doch der Margaretha Treffz die Ehe versprochen. Und auch hier hatte er den Vollzug sozusagen vorgezogen. Auch Margaretha Treffz war schwanger, und auch ihr Vater klagte. Baunach zog es deswegen vor, Wertheim zu verlassen. Später kam er doch noch in Haft, wo er zur Freilassung seine Schuld prinzipiell anerkannte und die Haft- in eine Geldstrafe umgewandelt wurde.
All diese Vorgänge werden seinerzeit gewaltiges Aufsehen rund um den Baunachshof erregt haben. Lorenz Baunach Senior, Wertheimer Ratsherr und Weinhändler, starb darüber vermutlich 1605. Sein Mündel Georg Freund folgte ihm ein Jahr später. Lorenz Baunach der Jüngere verließ Wertheim und wurde Bürger in Frankfurt am Main.
Druck: Fränkische Nachrichten 25.9.2012