Wirtschaften und Trinken auf der Burg
Für die Mahlzeiten brauchte die Burg eine leistungsfähige Küche und ein großes Vorratslager. Verantwortlich dafür war der Hausvogt. Seine Hausvogtei verfügte auf der Burg über eine eigene Stube und Kammern, eine eigene Küche und eigene Ställe.
Es war schon enorm, was die Hofhaltung so alles verbrauchte. 1579 etwa stehen Woche für Woche allein etwa 550 Liter Wein in den Büchern. Dazu Krebse, Backfisch, Essig, Barben, Korn und Gerste, Breimehl, Erbsen, Butter, Karpfen, Fladen, Hühner, Eier, Licht, Baumöl, Spanferkel, Forellen, acht Vögel, Zwiebeln, Wecken, Kuchen. Simon Puchel lieferte noch Extra-Fisch: Stockfisch, Plattheiß, Hering gesalzen, Hecht . Alle diese Dinge wurden in die Hausvogtei auf der Burg gebracht und dort gelagert und verarbeitet. Neben den Vorratsräumen und der Küche (bzw. den Küchen) gab es weitere spezielle Wirtschaftsräume: eine Schneiderei, ein Schlachthaus, ein Backhaus, eine Schmiede. Die Wertheimer Burg war ein Wirtschaftsbetrieb mit vielen Bereichen. Auch eine Wäscherin wurde bezahlt. Die Frau des Türmers und die des Torwarts, die "Türmerin" und die "Torwärtin", sollten ihr helfen.
Für die Lieferung von Baumaterialien und Lebensmitteln kamen täglich Menschen auf die Burg. Es waren Frondienstleistende, die Kalk, Ziegel, Backsteine brachten und Sand für die Böden. Auch die Mistabfuhr erledigten Frondienstleistende - Untertanen der Grafen, die in jedem Jahr an einigen Tagen zu diesen Arbeiten verpflichtet waren. Sie transportierten das Material auf Karren, die von Zugvieh oder per Hand auf die Burg hinauf gewuchtet werden mussten. Täglich kamen auch Boten aus den anderen Besitzungen der Wertheimer Grafen und solche mit Nachrichten aus anderen Territorien. Diese Zeitgenossen verursachten allerdings auch gerne "Zehrungskosten" in den Gastwirtschaften unten in der Stadt. Sie hielten sich also nicht nur auf der Burg auf, sondern sorgten in der Stadt für Umsatz, und der Hausvogt der Burg musste die Kosten begleichen.
In den Rechnungen der Hausvögte finden sich auch Ausgaben für "fremde arme Leut". Das waren Almosen für Studenten, Krüppel, Soldaten und sonstige verarmte Fremde, die durch Wertheim kamen. Auch sie machten sich auf den Weg hoch zur Burg, denn wo die Herrschaft saß, da winkte Unterstützung.
Es muss ein ständiges Kommen und Gehen gewesen sein damals auf der Burg. Hier liegt wohl auch der Grund, aus dem der Stolberger in seiner Hofordnung angeordnet hatte, während der Mahlzeiten das Tor zu schließen. Es waren einfach zu viele Fremde in der Burg unterwegs.
Und wann kam der "normale" Wertheimer auf die Burg? Vermutlich nur selten, wenn er dort keine Aufgaben zu erledigen hatte. Aber es gab einen Anlass, bei dem die Wertheimer sozusagen geschlossen den Berg hinauf marschieren mussten: die Huldigung. Im Jahr 1618 huldigte die gesamte Bürgerschaft der Stadt Wertheim den Grafen im oberen Schlosshof. Danach leisteten die Bürger ihren Eid. Die Chronik erwähnt eigens, dass die alte Witwe des Grafen von einem Erker aus zusah. Der Vorgang zeigte den Bürgern der Stadt Wertheim, wo ihre Herrschaft saß: Oben auf der Burg. Und die Bürger mussten sich dorthin auf den Weg machen, um ihren Eid zu leisten. Auch neue Bürger der Stadt mussten zu Huldigung und Ablegung des Eides auf die Burg, was allerdings in manchen Jahren auch einfach in der Stadt im Rathaus geschah.
Wo die Herrschaft saß, bekamen die Wertheimer auch jeden Tag morgens, mittags um zwölf und zur Nacht zu hören. Dann musste nämlich der Türmer auf dem Schlossturm „ein Stücklein abblasen“. Die wichtigste Aufgabe des Türmers bestand im Melden von Feuern, die er vom Schlossturm aus gut erkennen konnte. Die Türmer waren immer Musiker, die Blasinstrumente bedienen konnten. War einer der Grafen im Schloss anwesend, mussten sie auch „zu Tisch blasen“. Davon abgesehen ist von höfischer Unterhaltung und Musik in der Burg Wertheim leider nichts bekannt. Als im 18. Jahrhundert die große Zeit der Hofmusik, der Oper und des Theaters an den Adelshöfen kam, da war die Burg als Residenz schon zerstört.
Trinken auf der Burg
Einen Brunnen mit Brunnenhaus gab es auch. Im Fall einer längeren Belagerung der Wertheimer Burg wäre er lebensnotwendig gewesen. Von einer solchen Belagerung ist nichts bekannt, und so versorgte der Brunnen Mensch und Tier friedlich mit Wasser. Das war allerdings nicht das einzige Getränk auf der Burg. Die Alkoholmengen, die in der Frühen Neuzeit konsumiert wurden, sind ja legendär. So auch auf der Wertheimer Burg. Im Jahr 1596 verzeichnete der Burgvogt einen täglichen Ausschank von etwa 30 Maß (ein Maß entspricht knapp einem Liter). Den Monatsverbrauch gab er einmal mit zehn Eimern und 64 Maß an – gut 800 Liter. Und Bier kam noch dazu. Hier erwähnt eine Rechnung aus dem Jahr 1602, dass am 10. August ein Fass angezapft wurde, aus dem man bis zum 20. August sieben Eimer getrunken hatte. 560 Liter in 10 Tagen also, den staunenswerten täglichen Bierverbrauch auf der Burg Wertheim kann sich jeder leicht errechnen.
Da stellt sich die Frage, auf wie viele Personen sich diese Menge verteilte. Auch hier geben die Rechnungen Hinweise. So saßen am 3. März 1596 je sieben Personen am Herren- und am Knechtetisch, die zusammen 18 Maß Wein tranken. Am 16. Februar war Graf Ludwig zu Löwenstein persönlich mit von der Partie an der Herrentafel. Acht Herren und zehn Knechte kamen auf 31 Maß. Der Graf speiste übrigens gemeinsam mit dem Lehrer, dem Rentmeister und dem Amtmann aus Breuberg, seinen Beamten also. 25 Jahre später speiste Graf Friedrich mit dem Pfarrer, dem Chorverwalter, dem Hausvogt oder seinem Registrator. Wenn keine Adeligen zu Besuch waren, braucht man sich die Atmosphäre bei diesen Mahlzeiten auf der Wertheimer Burg wohl nicht allzu höfisch vorzustellen.
Der abgegebene Wein verteilte sich jeweils auf die Mittags- und die Abendmahlzeit sowie einen regelmäßigen "Schlaftrunk". Wein wurde auch in die Küche abgegeben und man wird ohnehin vermuten können, dass mancher Schoppen außer der Reihe getrunken wurde, der Burgvogt ihn dann aber bei seiner Rechnung zu den Essen berücksichtigte. Was als Fazit zum Getränkekonsum bedeutet: Aus den Angaben lässt sich kaum errechnen, was der einzelne trank. Aber die Gesamtmenge war gewaltig.
In den 1620er Jahren waren Picknicks im Freien recht beliebt. Man begab sich ins Tal zum Seegarten oder auch in den "Tännich" oberhalb von Eichel, wo Graf Friedrich gerne nächtliche Essen veranstaltete. Da verließ die Gesellschaft mit der Gräfin Catharina, drei Jungfern, drei adeligen Besuchern und der Frau von Stettenberg die Burg, um sich in der schönen Landschaft zu amüsieren.
1647 war es mit dem höfischen Leben auf der Wertheimer Burg vorbei. Bereits 1634 hatten kaiserliche Truppen die Anlage bei der Rückeroberung von den Schweden beschossen und schwer beschädigt, nach einem weiteren Beschuss durch bayerische Truppen 1647 war sie als Residenz endgültig nicht mehr brauchbar.
Druck: Fränkische Nachrichten 11.02.2012