Als die aus dem Geschlecht der Schenk zu Limpurg stammende Barbara 1528 den Wertheimer Grafen Georg II. heiratete, mag sie an eine lange Ehe geglaubt haben. Es kam aber anders. Georg starb bereits 1530, und ein Jahr später folgte ihm sein Vater Graf Michael II.

Zum Glück hatte Barbara 1529 einen Stammhalter geboren, der nach seinem Großvater Michael genannt wurde. Auf ihm ruhten nun die Hoffnungen der Wertheimer Grafen. Aber volljährig wurde man damals erst mit 25 Jahren. Ein langer Zeitraum, den es zu überstehen galt. Und dies geschah auf eine bis dahin unerhörte Weise: Stadt und Grafschaft Wertheim wurden von einer Frau regiert.

Barbara selbst führte die Geschäfte für ihren minderjährigen Sohn. Im April 1531 wurde sie von Kaiser Karl V. als Vormund eingesetzt, fünf Wochen später ernannte der Kaiser Wilhelm Graf zu Eberstein und Wilhelm Schenk zu Limpurg zu Mitvormündern. Die drei korrespondierten viel und die beiden Grafen kamen des Öfteren nach Wertheim, aber eigentliche Regentin war Barbara, die in Wertheim und auf dem Breuberg residierte.

Regieren bedeutete seinerzeit vor allem: Verwalten. Barbara verwaltete ordentlich und machte von allen Schreiben, die sie verschickte, eine Kopie. Heute gibt uns das Buch mit den Kopien ihrer Schreiben aus dem Jahr 1531 einen schönen Einblick in das, womit Barbara sich beschäftigte. Da hatte der Miltenberger Zöllner hat einen Wertheimer Schiffer mit Rheinwein an Bord festgehalten, Barbara schreibt deshalb an seinen Chef, den Bischof von Mainz. Sie schreibt an den Bronnbacher Abt mit der Bitte, dem Reicholzheimer Pfarrer sein Korn vorzustrecken. Götz von Berlichingen bittet um Erlaubnis, seine Wertheimer Lehen verpfänden zu dürfen – da schreibt Barbara, sie müsse erst mal ihre Co-Vormünder fragen. Aus Michelrieth ist ihr zu Ohren gekommen, dass dort die Toten nicht ordentlich begraben werden. Also ergeht Anweisung an den Schultheißen, sich darum zu kümmern, wenn die Hinterlassenschaft nicht für den „Grablohn“ reicht, müssen eben die Nachbarn (also die anderen Michelriether) graben. Des Öfteren schreibt Barbara, dass Schreiben erst an die Mitvormünder weitergeleitet werden müssten oder mit diesen beraten, wenn sie nach Wertheim kämen. Für sie vermutlich keine schlechte Konstruktion, denn so konnte sie unliebsame Dinge durch Abwarten auf die lange Bank schieben – schon damals eine wichtige Funktion der Verwaltung. Sie schreibt nach Nürnberg an Hans Pfannmus, der ihr ein Siegel machen soll, Muster liegen bei. Sie regt sich auf, dass der Würzburger Bischof Wertheimer Untertanen aus Uettingen vor sein Landgericht geladen hat, obwohl schon ihr verstorbener Mann dergleichen immer abgelehnt hatte. Sie muss den Bronnbacher Abt mahnen, weil er das Getreide immer noch nicht an den Reicholzheimer Pfarrer geschickt hat. Und dann sind da natürlich noch die Schuldsachen der Grafen, also diverse Zinsen für geliehenes Geld, die pünktlich zu zahlen sind. Einmal schreibt sie dem Breuberger Amtmann wegen 200 herrschaftlichen Säuen, die von Dertingen nach Breuberg zur Mast getrieben werden sollen. Dieser Schweinetrieb in den Odenwald war über lange Zeit üblich. Und schließlich schreibt Gräfin Barbara 1531 an den Wertheimer Pfarrer Andreas Hofrichter, dass sie keinen lateinischen Schulmeister gefunden habe, der nach Wertheim kommen wolle. Deshalb muss der deutsche Schulmeister nun eben auch die Lateinschule abhalten und Pfarrer Hofrichter soll von der Kanzel die Leute ermahnen, ihre Kinder (will sagen: Knaben) zur Schule zu schicken.

Reichsgeschichtlich höchst bedeutsam war in diesen Jahren die Ausbreitung der Reformation. Auf welcher Seite Gräfin Barbara hier stand, machte sie 1544 deutlich. Damals schickte sie Sohn Michael nach Wittenberg zum Studium, also zu Martin Luther persönlich.

Auch ihr Bruder Erasmus, der Bischof von Straßburg, hegte Sympathien für die neue Lehre. 1542 fragte Barbara bei ihrem Bruder nach, ob sie mit ihrem Sohn nach Gaildorf (dem Residenzort der Schenken von Limpurg) gehen solle. Es waren Pestzeiten, und das Leben des Stammhalters musste geschützt werden. Nach dem Ausbruch der Pest in Breuberg überlegte sie auch, ihren Haushalt nach Wertheim zu verlegen. Dann aber kam ihr zu Ohren, dass ihre Breuberger Köchin einen Sohn nach Wertheim in Sicherheit gebracht hatte, nachdem ihre anderen Kinder gestorben waren. Nun war die Köchin selbst erkrankt. Daraus folgerte Barbara, „dass sich wieder ein Anfall zu Wertheim zutragen könnte“ – ein interessanter Hinweis darauf, was man damals über die Übertragungswege wusste. Ihr Wertheimer Verwalter sollte in Wertheim dafür sorgen, dass niemand einen Sterbenden aufnahm. Und die Wertheimer selbst dürfen nicht in die Dörfer gehen, aus denen die Kranken kamen (die „sterbenden Ort“), ansonsten müssen sie Wertheim zwei Monate lang meiden. Der Sohn der Köchin sollte die Stadt verlassen.

So war Gräfin Barbara als Wertheimer Regentin mit allen Problemen befasst, die es damals gab. Als ihr Sohn Michael älter wurde, wurde er immer mehr in die Regierungsgeschäfte eingebunden. 1554 wurde er volljährig und Barbara trat wieder ins zweite Glied zurück. Von dort aus musste sie miterleben, wie ihr Sohn nur ein Jahr später starb. Das bedeutete das Ende des Geschlechts der Grafen von Wertheim. Alles umsonst, mag Barbara gedacht haben. Sie überlebte auch ihren Sohn um einige Jahre und liegt in der Stiftskirche begraben.

Druck: Fränkische Nachrichten 4.1.2012