Seit 1718 gab es eine Druckerei in Wertheim. Erstes Erzeugnis war das Wertheimer Gesangbuch. Später erhielten Vater und Sohn Nehr den schönen Titel eines Wertheimer Hofbuchdruckers, druckten allerlei und ließen 1772 die erste Wertheimer Zeitung erscheinen.

Bislang ganz unbekannt ist, dass es bereits gut hundert Jahre früher Bemühungen gegeben hatte, eine Druckerei in Wertheim anzusiedeln. Balthasar Hoffmann hieß der Drucker, den Graf Ludwig zu Löwenstein-Wertheim nach Wertheim holen wollte. Ein großzügiger Vertrag sollte ihn zum Umzug von Darmstadt bewegen. Die Bedingungen waren kulant: 100 Gulden, kostenlose Unterkunft, freies Brennholz, ½ Fuder Wein (gut 450 Liter) und manches andere mehr. Die Vereinbarung schien perfekt, und Hoffmann machte in Darmstadt seine Schriften und Buchstaben reisefertig. Die Druckerei war damals ein mühsames Geschäft mit schweren Pressen und vielen Buchstaben und Zeichen, die eigens gegossen und gesetzt werden mussten. Aber irgendwie kam die Sache dann nicht zustande. In einem Schreiben nach Wertheim beklagte Hoffmann sich bitter, er habe nun zwei Druckergesellen und zwei Setzer vier Wochen umsonst bezahlen müssen, von den Kosten für Papier, Farbe und die Schriften ganz zu schweigen.

Zwei Jahre später nahm Graf Ludwig einen neuen Anlauf. Der aus Kitzingen stammende, offenbar im Taunus lebende Drucker Johann Rudolf sollte nach Wertheim kommen. Auch sein Vertrag war günstig: keine Steuern, keine Leibeigenschaft, kostenlose Wohnung und für seine Druckerei sollte er einen „Pressraum“ erhalten. Platz sei da, heißt es in den Akten, der Drucker könne eines der neu erbauten Häuser in der heutigen Vaitsgasse beziehen. Außerdem sollte Rudolf 300 Gulden für den Ankauf einer Druckerpresse erhalten.

Johann Rudolf kam tatsächlich nach Wertheim. Im April des Jahres 1609 teilte er Graf Ludwig mit, er befinde sich nun mit Weib und Kind in der Stadt. Was noch fehlte, war die Druckerpresse bzw. die 300 Gulden zu ihrem Erwerb. Deshalb schrieb Rudolf im Mai erneut an den Grafen. Er hatte eine Presse in Speyer in Aussicht, die man von dort per Schiff nach Wertheim bringen könne. In dem Schreiben pries Rudolf die Vorteile der Druckkunst an: 20 Schreiber könnten in vier Wochen nicht soviel schreiben, wie er an einem einzigen Tag drucken. Rudolf beschwor Druckereien in Wolfenbüttel und Kassel, die er persönlich besucht hatte, ja einmal hatte er sogar Friedrich Wilhelm, den Administrator von Kursachsen, beim Schriftsetzen und Drucken beobachtet, wobei der adelige Herr „sich herzlich erlustiret“ habe. Wertheim in einer Reihe mit den Residenzstädten Dresden, Kassel und Wolfenbüttel – Graf Ludwig mag es gerne gehört haben. Rudolf kam allerdings auch mit einer weiteren Forderung: Alle für die Wertheimer Schulen benötigten Bücher sollten bei ihm gedruckt und der Verkauf von religiösen Büchern durch reisende Buchhändler in der Grafschaft verboten werden.

Dann blieben da noch die 300 Gulden, die Rudolf vorgestreckt haben wollte. Ohne die Gulden keine Presse, ohne Presse keine Druckerei. Die Akte schließt an dieser Stelle. Nicht ausgeschlossen, dass Rudolf die 300 Gulden schließlich erhielt und mit Ziel Speyer abreiste, ohne je nach Wertheim zurückzukommen. Wieder war es nichts geworden mit einer Druckerei in Wertheim.

1617 wurde dann aber doch gedruckt, wenn auch nur ein einziges Buch. Der Nürnberger Drucker Lochner brachte seine Presse nach Wertheim, um die über 1000 Seiten des Wertheimer „Gegenberichts“ zu drucken, mit dem die Grafen eine publizistische Kampagne gegen den Würzburger Bischof starten wollten. Julius Echter hatte die Grafschaft durch den Einzug ihrer Würzburger Lehen stark reduziert. Den Kampf gegen diese Verkleinerung kämpften die Löwenstein-Wertheimer vor den Gerichten des Heiligen Römischen Reichs über Jahrhunderte und immer ohne Erfolg. Auch der Gegenbericht, der an zahlreiche Fürsten und Städte des Reichs verteilt wurde, konnte daran nichts ändern. Sein Erscheinen fiel unglücklich zusammen mit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, der alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

Vermutlich hatte auch schon hinter den früheren Bemühungen des Grafen Ludwig, einen Drucker nach Wertheim zu ziehen, der Gedanke gestanden, sich mit den Mitteln der Presse gegen das militärisch überlegene Würzburg zu wehren. Graf Ludwig war 1611 verstorben und konnte so die Realisierung dieses gewaltigen publizistischen Kraftakts nicht mehr erleben. Allerdings blieb ihm auch Erkenntnis erspart, dass die Mühen schließlich vergeblich sein sollten.